Die Suche nach der nächsten Evolutionsstufe (Extremecarving-taugliches NSR Aplinboard)

Im März 2014 bin ich in mein ungeliebtestes Skigebiet – nämlich Silvretta Nova – angereist, um diverse “schnellere” Alpinboards zu testen. Nachdem ich in den letzten Jahren aufgrund der Marktsituation und der Präferenz vieler Snowboard-Kumpels einige Alpinboards mit ca. 17cm Mittelbreite (waist width) getestet habe, steht für mich fest: Ich will nicht mehr unter die 18,5cm Mittelbreite meines Virus WCR70 – eher über 21cm. Aber schneller als das geliebte Virus soll es werden, dabei über Kantendruck und über die Nose zu steuern, etwas laufruhiger, stabiler vielleicht noch…

Zunächst zu den eigenen boards, die ich dabeihatte
(Angaben immer: Länge / Mittelbreite “waist width” / Radius “sidecut” oder “scr”):

  • Apex Fast+ 175/19,2 / SCR angeblich ca. 16
  • Virus WCR70 170/18,5 / SCR??

Apex Fast+ 175

Das Apex Fast+ 175 hinterlässt nach bisher 6 Tagen auf der Piste mit unterschiedlichsten Bedingungen immer noch einen zweispältigen, aber eher positiven Eindruck.
Positiv (das hat das Apex mit anderem moderneren Shapes gemeinsam): Der Härteverlauf der Nose ist hamonischer geworden als bei früheren Snowboards. Die Nose greift bei mehr Druck, macht zu (ermöglicht also engere Turns) – aber sie schmiert weniger weg als bei den älteren boards und produziert keine Noseflipf. Nach meiner Erfahrung liegt das daran, dass die neueren boards vor der vorderen Bindung eher hart, weiter vorn im Bereich der Nose aber eher etwas weicher sind. Dadurch “klappt” das board bei heftigen Impulsen nicht “zusammen” und bietet dadurch eine gewisse Sicherheit gegen highsider. Insgesamt macht das board bei verschiedenen Bedingungen sehr viel Spass, liegt für mich eher auf der schnellen Seite und vermittelt sehr viel Sicherheit. Aufgrund des eher weites Sidecut-Radius und der Mittelbreite von knapp 20cm ist es für mich auch EC (ExtremeCarving (tm)) geeignet. Allerding benötigt die Kante immer sehr viel Sorgfalt beim carven, damit man sie nicht verliert, und mein größter Kritikpunkt: Die Nose gibt absolut keine Rückmeldung, fühlt sich immer etwas undefiniert an.

Das Virus WCR 70 durfte am Sonntag noch mal aus dem boardbag und macht zuverlässig sehr sehr viel Spass. Die Kante hält, die Nose arbeitet, die Rückmeldung ist klar. Das board ist solide und für mich absolut variabel zu fahren. Insgesamt nun schon seit 10 Jahren ein beeindruckend gutes board: Aufgrund der passenden Länge und der ausreichenden Härte auch schnell zu carven, kommt mit viel Zug aus gecarvten Schwüngen und ist dabei recht variabel. (Dasselbe in etwas länger und 2cm breiter suche ich eigentlich…)

Getestet habe ich:

  • Virus GS schwarz 173/18.5 SCR??
  • Sense 185/20 SCR18.5
  • Sense 174/21 SCR14
  • Plasma CE Wide 175/20 SCR12/14
  • F2 Speedster RS Proto 175

Virus Race GS 173:
Dabei zuerst ein dickes Sorry noch mal an Frank, für das schöne board ging mein Test nicht gut aus. Erste backside, Skifahrerin im toten Winkel, “sie kam von oben, hat mich übersehen”, u.s.w.
Wiedemauchsei: Für die “echten raceboards” von Frank habe ich nicht die geeigneten Eier. Vollgas funktioniert das, macht auch irrsnnnig Spass und hält und dämpft unglaublich. Ich bin damit – was das Gefühl zwischen board und mir angeht – recht entpannt in neuen Geschwindigkeitssphären unterwegs. Aber immer, wenn ich dran denke, dass es im Skigebiet natürliche, technische und humanoide Hindernisse gibt, kommen mir Zweifel. Wie erwartet (insbesondere bei Race-Brettern von Virus): etwas zum Racen, nichts zum Cruisen. Im Vergleich zum Apex: Viel mehr Kantenhalt, viel mehr Dämpfung, viel mehr Rückmeldung, nur eben (für mich) viel zuviel Speed.

Sense 185/20 SCR18.5:
Ergebnis ähnlich wie beim Virus. Board fühlt sich kurioserweise (im Vergleich zum Virus) gleichzeitig weniger variabel und weniger wie ein Tanker an.
Viel Kantenhalt, viel Dämpfung, ziemlich viel hart, ordentliche Rückmeldung – aber wenig Variabilität. Das board lässt sich wie von Andrej beschrieben sehr kontinuierlich über Aufkantwinkel fahren. Die Radien bleiben dabei aber immer eher weit, Druck auf die Nose und andere Spielereien haben keinen nennenswerten Einlfuss auf die Turns.
Mein Fazit: Ein board für sehr schwere Jungs oder für Grobmotoriker

Sense 174/21 SCR14:
Ähnlich wie das 185, eben kürzer.
Ernsthaft: Ich weiss nicht, ob das an der Härte liegt, aber auch hier für mich zu wenig Variabilität. Die Nose ist schön hart, lässt sich schön powern, Grip und Dämpfung mindestens ausreichend vorhanden. Insgesamt ein sehr sympathisches und sehr lineares Verhalten. Ich würde mir nur wünschen, dass man durch Druck auf die Nose noch etwas variabler carven kann. Das board will ich unbedingt noch mal bei besseren Bedingungen (und am liebsten eine Nuance weicher) noch mal testen. Irgendwie bleibt der Eindruck, dass ich am diesem Test-Sonntag nicht alles aus dem board rausgeholt habe, was drinsteckt…

Plasma CE Wide 175/20 SCR12/14:
Die Überraschung mit der hässlichen Nase (sorry, Günther).
Gelb, 20cm breit, decambered.
Samstag Nachmittag auf seltsam weicher Piste macht das board immer genau das, was es soll. Die Nose greift, die Kante hält, das board tankt sich durch den Untergrund. Mein neues Steckenpferd – “Rückmeldung” – passt auch. Druck auf die Nose –> Turn wird enger. Druck nach hinten –> Turn wird weiter: Genauso beim Aufkantwinkel: Mehr “Angulation” bringt engere Radien.
Irgendwie genau das, was ich wollte: “wie mein WCR, nur etwas breiter und schneller”.
Leider kneifen die Jungs von Plasma am nächsten Tag – warum, wird wohl ihr Geheimnis bleiben (vermutlich wegen des erwarteten schlechten Wetters). Alissa als Mädchen fühlte sich dort am Stand gut aufgehoben, vielleicht ja deswegen X(
In Summe bei den suboptimalen Bedingungen ein sehr interessantes und für mich wunderbar berechenbares board. Ob es darüberhinaus auch “Begisterung” kann, hätte ich gerne am darauffolgenden Sonntag ausprobiert – Test musste verschoben werden auf die CM (“Carving Masters”) am ersten Mai.
Was ich nach dem Eindruck am Samstag sagen kann: Grip, Dämpfung und Variabilität passen, Breite gefällt mir altem Flachwinkelsurfer auch sehr gut. Der Eindruck ist ein bisschen old school, aber durchaus vielversprechend.

F2 Speedster RS Proto 175:
Sorry, Mantel des Schweigens.
Ich freue mich, dass F2 beim Event dabei war, und ich fand die Jungs auch sehr sympatisch.

Ergänzung – Proflex Race Titanium / F2 Titanium:
Die rote Proflex Titanium Plattenbindung kam vor Jahren günstig aus der Bucht zu mir. in der Silvretta habe ich ein neues Schadensbild (nur für Bügelbindungsfahrer) entdeckt. Beim unkoordienierten Schnee-Abklopfen brach die Plastiknase, die den Bügel in seiner Position hält –> Bindung unbrauchbar.
F2 hatte zwar keinen Ersatzschlitten dabei, aber sehr viel Kundennähe – und so konnte die alte Bindung spannungsarm durch eine neue ersetzt werden. Cool.

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Sechs Wochen später hatte ich bei den Carving Masters in Sölden die Gelegenheit, einige Bretter nochmals intensiv zu testen. Die Tests waren eigentlich dazu gedacht, die Testergebnisse vom März zu verifizieren :D

Getestet habe ich dieses Mal:

  • Plasma CE Wide 175/20 SCR12/14
  • Virus Interceptor Wide 173
  • noch mal Plasma CE Wide

Testaufbau
Freitag: Apex – Interceptor – Virus WCR70 (also meins)
Samstag: Virus Interceptor Wide (kein Zylon-Schnickschnack) – Virus WCR70 – Plasma CE Wide 175 – Virus WCR70 –
Sonntag: Erste Abfahrten am Steilhang mit dem Apex – danach den Rest des Tages Plasma CE

Ergebnis
Zum Interceptor hat Frank von Virus das Wesentliche gesagt, als ich ihm das board nach dem Test zurückgegeben habe:
“Das ist eigentlich ein Allrounder für schwierige Bedingungen, enge Skigebiete, jeden Tag.” – Stimmt, aber ein wirklich guter.
Der erste Eindruck ist aber ein anderer: Vom Apex RS-Board kommend, macht mich der Interceptor fast verrückt. Das board fühlt sich im weichen, durchwachsenen Schnee einfach furchtbar nervös an. Die Nose biegt beim kleinste Steuerimpuls scharf ab, die Kante hält quasi unbeeindruckt, das board fährt sehr enge Radien auch bei höherer Geschwindigkeit. Für mich die Steigerung des “Autocarve”.
Am Samstag früh dann gleich nochmal, um dem board eine faire Chance zu geben. Und hier zeigt sich, dass ich – vom Apex kommend – einfach viel zu viel Impuls gegeben habe. Eher mittig bis hinten belastet, mit moderatem Aufkantwinkel und etwas weniger Gewalt läuft das Ding spielerisch durch alles durch. Am einfachsten geht das, wenn man leichte Hochentlastung fährt und das board einfach machen lässt. So kann man entspannt Haken schlagen und sich dabei auf Kante und Dämpfung verlassen. Wenn man dann doch mal reagieren muss oder die Piste eng wird, reicht etwas Druck aus, um engste Schwünge zu fahren. Das macht schon Spass, ist aber nicht das, was ich eigentlich suche. Meine Zusammenfassung: Ein Gladiator in breiter und (noch) besser. Einfach zu fahren, dabei mit ordentlich Reserven – mir aber insgeamt zu kleinradius.

Beim Plasma CE 175 Wide habe ich mich vor allem gefragt, ob es
a) auch auf härteren Pisten funktioniert und
b) tatsächlich auch im Steilen so schön berechenbar um die Ecke zieht.
Am Samstag bei schlechten Bedingungen fällt mir wieder auf, wie gutmütig eigentlich die Nose (eher hart vor der Bindung, aber insgesamt kein Brett) ist. Ich kann das board bedenkenlos um die Ecken prügeln, aber immer mit einem gewissen Grundspeed.
Am Sonntag dann zwei frühe Abfahrten am Rettenbach Steilhang, bevor es rüber zum Kühlschrank geht.
Das Apex Fast+ hat auf dem harten Untergrund mit Weichschnee-Auflage sehr gut funktioniert. die Nose arbeitet, die Radien sind variabel. Das Apex funktioniert auch in Richtung Extremecarving, soweit ich das bei dem weichen Schnee einschätzen kann – allerdings fehlen mir eben ein bisschen Dynamik und Rückmeldung.
Das Plasma CE kann das alles tatsächlich genausogut (Kantenhalt, variable Radien, etc), aber vieles eben (für mich) noch besser. Es verliert weniger Stabilität, wenn es hinten raus gefahren wird und die Nose fühlt sich einfach viel knackiger an. So weit ich das bei den seltsamen Bedingungen beurteilen kann, funktioniert das board für mich auch auf hartem Untergrund sehr gut.
Plasma CE 175 Wide
Dann am Kühlschrank (Piste 9 auf dem Rettenbach-Gletscher in Sölden): der pure Spass! Mal zügig, mal etwas schneller, weitere und engere Turns, bisschen hüpfen, bisschen ablegen – alles geht, so lange der Aufkantwinkel stimmt.
Das CE wide scheint für mich tatsächlich der schräge Kompromiss zu sein aus stabilem Fahrverhalten bei auf Zug gefahrenen tief umgekanteten Carving-Schwüngen und geschmeidigem Carven ohne Schaltafel-Feeling.
Letztendlich ist das Warum völlig egal – ich hatte irrsinnig viel Spass auf dem Plasma, sowohl am Steilhang als auch am Tiefenbach und am Kühlschrank. Und nur das zählt.

Die Suche nach der nächsten Evolutionsstufe (Extremecarving-taugliches NSR Aplinboard)

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